Ohne Frauenquote in der Politik wird es keine Gleichberechtigung geben

6. Juni 2016

„Wann wird ein Text wie dieser, in dem es wieder einmal um die Problematik der Geschlechtergerechtigkeit gehen wird, endlich überholt und überflüssig sein?“ So beginnt die Soziologin Maria Funder ihren Text „Geschlecht und Wirtschaft: Wandel in Sicht?“, den ich kürzlich gelesen habe.

Und tatsächlich – es ist schon sehr erstaunlich, wie sehr entweder das Grundgesetz ignoriert oder als zementiert betrachtet wird, wenn es um das Thema Gleichstellung geht. Um die tatsächliche Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare zu verhindern, wird gerne mit dem Grundgesetz argumentiert, denn die Ehe für alle würde dem Schutz von Ehe und Familie, wie es im Grundgesetz verankert ist, entgegenstehen. Auf solche Gedankengänge muss man auch erst einmal kommen. Geht es aber dagegen um die Gleichstellung der Geschlechter in allen Lebensbereichen, dann wird das Grundgesetz seit Jahrzehnten gnadenlos ignoriert. Dort steht nämlich in Art.3, Abs.2 geschrieben:

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung  der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.  

Und bevor man überhaupt einen Blick in Gesellschaft und Wirtschaft wirft, reicht schon ein Blick auf das System Politik selbst, um zu erkennen, dass dieser Grundsatz nicht einmal dort umgesetzt wird. Der überwiegende Teil der Parteien pfeift auf feste Frauenquoten und paritätische Zusammensetzungen gewaltig, ignoriert also höchstselbst das sonst so gerne zitierte Grundgesetz, wenn es um die Verhinderung von ungeliebten Forderungen geht. Wen wundert es da noch, dass Geschlechtergerechtigkeit in Richtung Wirtschaft nur lapidar und dazu noch ziemlich flexi eingefordert wird.

Aber bleiben wir doch bei der Politik selbst. Erst als 1983 Die Grünen mit einer gerechten Frauenquote von 50 Prozent in den Bundestag einzogen, fühlten sich andere Parteien überhaupt erst ein ganz klein wenig bemüßigt über Gleichberechtigung in ihren eigenen Reihen nachzudenken. Vermutlich hatten sie etwas Angst, dass ihnen diese moderne Partei mit ihren T-Shirts, Turnschuhen und Frauenquote doch etwas gefährlich werden könnte. So ließ sich die SPD zu einer Quote von 33 Prozent (erst viel später dann immerhin 40 Prozent) hinreißen und die CDU legte ein unverbindliches Quorum von 33 Prozent fest. Die FDP hält eine Frauenquote erst gar nicht für nötig. Über die Umsetzung und den Willen zur Umsetzung braucht man wirklich nicht viel zu diskutieren, wir haben den politischen Betrieb ja gut vor Augen. Und Frauen in Führungspositionen in den Parteien sind allerdings noch deutlich unterpräsentierter, und zwar auf allen Ebenen. Da kann auch eine Frau als Bundeskanzlerin nicht darüber hinwegtäuschen.

Wer sich jetzt immer noch darüber wundert, dass in der Wirtschaft der Anteil von Frauen auf niedrigem Level verharrt und auch das gesellschaftliche Frauenbild sich nur schwer verändert, der werfe bitte die ersten High Heels. Aber bitte nur werfen, wer sich das auch wirklich leisten kann, denn der Gender Pay Gap, also der durchschnittliche Unterschied des Bruttostundenverdienstes von Frauen und Männern, taumelt in den letzten zehn Jahren konstant zwischen 22 und 23 Prozent. An dieser Stelle einfach noch einmal auf das Grundgesetz schauen und sich erneut über dessen Missachtung wundern, denn selbst bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation liegt der prozentuale Unterschied noch bei 7 Prozent! Wie nennt man das noch gleich? Ach ja, Diskriminierung.

Stören tut das Ganze allerdings wenige, nur etwa ein Drittel der Männer sieht überhaupt noch Handlungsbedarf bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau, die anderen halten die Gleichstellung schon für eine ziemlich abgeschlossene Kiste. Keine guten Voraussetzung also, dass sich hier Bahnbrechendes verändert. Und eines ist klar, solange sich innerhalb der Parteien keine paritätischen Aufteilungen durchsetzen, werden diese auch nicht in Wirtschaft und Gesellschaft stattfinden. Denn so wie Parteien als Gatekeeper eine größere Frauenrepräsentanz verhindern, so sind es in der Wirtschaft männlich geprägte Organisationskulturen und Netzwerke, die Frauen in Führungspositionen oder einflussreichen Jobs zu verhindern wissen. Und wo Frauen in Politik und Wirtschaft fehlen, da wird sich auch in der Gesellschaft kein wirklich gleichberechtigtes Frauenbild verankern.

Tatsächlich bin ich für gleichberechtigte Frauenquoten in allen Bereichen. Allerdings bin ich der Meinung, dass zunächst die Politik selbst Veränderungen anstreben sollte. Wie man es wirklich ernst meinen kann, zeigt beispielsweise ein Blick nach Frankreich. Dort wurde ein Paritätsgesetz erlassen, das eine Frauenquote zumindest bei den Kommunalwahlen festlegt. Demnach müssen die Parteien zu den Kommunalwahlen einen Frauenanteil von 50 Prozent auf den Wahllisten vorweisen, um zu den Wahlen überhaupt zugelassen zu werden, was dazu führte, dass sich die Frauenrepräsentanz in den französischen Kommunalparlamenten von 1995 zu 2008 nahezu verdoppelte. Dieser Prozess zeigt, dass nicht nur die festgelegten Quoten zur Steigerung der Frauenrepräsentanz geführt haben, sondern besonders auch die Sanktionen, die bei Nichteinhaltung eintreten. Denn den männlichen Politikern ist vermutlich nur deshalb daran gelegen, die Kandidatinnenquote auch einzuhalten, da die Partei ansonsten gar nicht erst zur Wahl zugelassen wird.

Es wäre also langsam an der Zeit, dass auch in der deutschen Politik innovative Maßnahmen zur Erhöhung des Frauenanteils getroffen werden, denn nur so können auch die Interessen von Frauen – gut der Hälfte der Bevölkerung – wirklich vertreten werden, und damit auch das Grundgesetz eingehalten werden.  

Ansonsten finde ich, sollten wir Frauen bei den nächsten Wahlen einfach mal unsere geballte Macht ausspielen und nach Kriterien der Gleichberechtigung wählen. Und zwar nicht, wie sie von den Parteien von anderen gefordert wird, sondern wie sie von den Parteien intern selbst umgesetzt wird. Ich könnte mir vorstellen, dass dann schnell Frauenbewegung in den Politikbetrieb kommt.

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