Warum BUY LOCAL meiner Meinung nach nicht funktionieren wird

Buy Local ist eine Initiative von unabhängigen Buchhändlerinnen und Buchhändlern, die sich im Sommer letzten Jahres gegründet hat. Man kann auch sagen, die mit dem Eichhörnchen. Der Film Buy Local – Explainity auf Youtube erklärt uns in knapp 3 Minuten die Hintergründe und was es mit dem Eichhörnchen auf sich hat. Für alle, die das nicht wissen, Eichhörnchen sind fleißige Tiere und „arbeiten“ für ihre Umwelt. Und genau das tun die unabhängigen Buchhändler und Einzelhändler auch, und zwar nur DIE. Und damit das auch jeder versteht, gibt es auch gleich ein Gütesiegel, mit dem lustigen Eichhörnchen darauf. Siehe hier. Ach nein hier! Die Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, den lokalen Einzelhandel zu stärken und uns Kunden zu belehren. Denn es soll bei uns Kunden ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wo wir einkaufen und welche politischen, gesellschaftlichen und sozialen Auswirkungen unsere Kaufentscheidungen haben. Mensch, hätte es diesen Zusammenschluss schon eher gegeben, so gäbe es sicherlich auch noch die guten alten Tante Emma Läden in unseren Dörfern und Städten und wir müssten nicht kilometerweit fahren, um in den bösen Supermärkten einzukaufen. Das haben wir leider vergeigt, wir Kunden.

Die Idee und der Antrieb dahinter ist sicherlich leicht nachvollziehbar. Nur leider kann dies schon alleine aus drei wichtigen Gründen nicht funktionieren:

1. Diese Initiative ist nicht aus Kundensicht gestartet worden, sondern aus Sicht der Einzelhändler. Und der Kunde mag durch lebenslange Sozialisierung durch Werbung, Internet und Outlet Stores schon so einiges gewohnt sein, aber er wird dennoch schnell merken, dass es hier um sehr viel geht, auch um sehr viel richtiges, aber um eins geht es nicht, um ihn als Kunden.
2. Der Markt selber kann seine Konsumenten nicht auf sozialer und gesellschaftlicher Ebene ansprechen. Kein Markt kann dies wirklich. Denn egal, wie man diese Aktion dreht und wendet, wie groß die gesellschaftliche Verantwortung und lokale Verbundenheit auch sein mag, Ziel ist es, damit Geld zu verdienen und nicht die Städte oder gar die Welt zu retten. Es ist unanfechtbar richtig, dass sich unsere Innenstädte weiter verändern werden, wenn immer mehr Verbraucher Online einkaufen. Und tief in seinem Herzen weiß dies auch jeder Verbraucher, allerdings gibt es die große gesellschaftliche Plage namens Bequemlichkeit, die alle rationalen Herangehensweisen außer Gefecht setzt.
3. Und dann gibt es noch eine entscheidende Schwachstelle von Buy Local. Der Verein selber entscheidet, wer dazu gehört und wer nicht. Schlimmer noch, er bewertet, was gut und böse ist. Großer Filialist = Böse ABER Kleines inhabergeführtes Lädchen = Gut Und wie es in dem obigen Werbefilm ausgedrückt wird, schaffen auch nur die inhabergeführten Geschäfte Arbeitsplätze und genau diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können in ihrer Stadt auch wieder Geld ausgeben. Zwei Punkte verstehe ich allerdings noch nicht ganz. Wer kontrolliert jetzt, ob diese das dann auch brav tun und nicht gemeinerweise im Nachbarstädtchen ihr lokal verdientes Geld ausgeben? Und wer arbeitet jetzt eigentlich in den anderen, den bösen Geschäften? Roboter? Wenn das so ist, dann muss ich sagen, sind diese gar nicht so schlecht gelungen. Sehr freundlich und kompetent in den meisten Fällen und sie unterscheiden sich irgendwie so gar nicht von den richtigen Verkäufern.

In erster Linie verdeutlicht diese Initiative nur eines, nämlich wie dumm und rücksichtlos wir Kunden sind. Lassen uns lieber in großen Geschäften anranzen, als uns in den unabhängigen Kleinen liebevoll unser Geld abknöpfen zu lassen. Sitzen gemütlich zu Hause und treffen im Internet unsere Kaufentscheidung, nachdem wir uns durch Kundenrezensionen haben beraten lassen, statt in die Innenstadt zu fahren, Parkgebühren zu spenden und dem Eichhörnchen das Lebensumfeld zu bieten, das es anscheinend benötigt… Sprit und Abgase.

Schlussendlich denke ich, werden wir Kunden uns gerne überzeugen lassen, unser Kaufverhalten wird sich allerdings immer an unseren eigenen Wertevorstellungen und unserem persönlichen Nutzen orientieren.
Die nächste Initiative ist sicherlich „Fahrt mehr deutsche Autos von Mercedes und VW, denn nur unsere Mitarbeiter sind aus Deutschland“. Ach ne, da habe ich jetzt was verwechselt.

Kurze Anmerkung zu mir:
„Im Mittelpunkt meines beruflichen und persönlichen Interesses steht der Kunde und Mensch in einer sich wandelnden analogen und digitalen Welt“

Ich habe in den letzten 20 Jahren in einem inhabergeführten Buchhandelsunternehmen gearbeitet. Meine Auseinandersetzung mit diesem Thema ist allerdings mit meinem persönlichen gesellschaftlichen Denken verbunden und mit meiner beruflichen Erfahrung, dass der Markt seinem Kunden nicht vorschreiben kann, wie er sich zu verhalten hat. Er kann allerdings attraktive Anreize schaffen…
Global meets local

Kleiner Nachtrag:
Als Reaktion auf diesen Blogeintrag kam eine Interviewanfrage vom buchreport zu „Buy Local“. Readmore

6 Gedanken zu “Warum BUY LOCAL meiner Meinung nach nicht funktionieren wird

  1. Liebe Anja, Du hast mal wieder so was von Recht. Ich persönlich glaube wirklich an den kleinen inhabergeführten Einzelhandel und dass dieser Zukunft hat. Alllerdings nur an solchen, der initiativ und kreativ ist,, authentisch und kundenorientiert. Es geht um Bedürfniserfüllung und ich habe bis heute keinen Kunden kennengelernt, der es schätzt bevormundet zu werden. Na ja, ich bin ja auch keine Domina :)….

    • Ja, das stimmt. Und außerdem gibt es komplett unterschiedlich strukturierte Innenstädte, das lässt sich nicht mal flott über einen Kamm ziehen. Und wenn der Kunde dann einmal „Buy Local“ hypnotisiert in die Innenstadt gerannt ist, dann muss er sich dort dann auch noch entscheiden, wem er jetzt sein Geld gibt. Und zwar nicht dem, der am attraktivsten ist, sondern dem, der am lautesten jammert. Schließlich soll er ja im Alleingang die Gesellschaft retten! Spaß ist was anderes 🙂

  2. Zu den kritischen Punkten, die hier richtig aufgezählt werden, und denen dennoch von den Freunden der Buy-Local-Gemeinde widersprochen wird – etwa „Wir müssen erst mal da sein, damit lokal eingekauft werden kann“ quasi als normative Kraft des Faktischen – kommt ein weiterer, aus meiner Sicht entscheidender, hinzu. Ich habe ein kleines Antiquariat (antiquariatszeitung.de/antiquariatpardun.de), schreibe auch kritisch über die Entwicklung in diesem Buchhandelssegment, arbeite aber hauptsächlich als Marketingmensch online und offline für das Ernährungshandwerk und den regionalen/lokalen Lebensmittelhandel (sfivsachsen.de in Sachsen). Auch wenn sich Branchen nicht unbedingt vergleichen lassen, Kunden und Verbraucher, Handel im Wandel aber dennoch. Der große Renner im Lebensmittelbereich ist „Regionalität“, zwar ohne genau zu wissen, was das ist, aber mit all den Argumenten und noch mehreren die „buy-local“ auch anführt. Aber „Regionalität“ ist mehr. Es ist die ganze regionale Wertschöpfungs-, Wertschaffungs- und Wertschätzung-Kette von der Urproduktion, über Herstellung, Verkauf, Verbrauch und Entsorgung „aus der Gegend“. Deswegen funktioniert „Regionalität“, und zwar im Kopf der Käufer. Geschäfte als vereinzelte Inseln im Kundenstrom, auch als Buchhandel, hätten alleinstehend keine Chance. Jüngst erst wieder Svenja Hagenhoff, Uni Erlangen (idw-online.de/de/news522432): „Buchhandlungen unterscheiden sich in ihrem Leistungsportfolio untereinander allerdings so gut wie nicht und sind damit für den Kunden austauschbar. Nachhaltig erfolgreich sind Unternehmen, die sich von der Konkurrenz abheben.“ Das geht aber nicht „local“, das geht nur „personal“. „Buy-local“ müßte zu einem breiteren Erfolg eine Wertschöpfungskette aus sich heraus für den Kunden, und nicht der Kunde für das Geschäft entwickeln.

  3. Pingback: Bücher über alles » [Buchsplitter] KW 12/2013

  4. Danke für diese interessanten Gedanken und Denkanstösse zur buy local Initiative, von denen ich einige noch gar nicht bedacht habe!.

    Man sollte sich auch mal grundsätzlich die Frage stellen, warum Amazon & Co. im Netz überhaupt so groß werden konnten.

    Wesentlich durch Performance Marketing. Dies sind alle Direktmarketingtechnologien im Netz, bei denen Werbeflächenbetreiber nicht nach Buchung vergütet werden, sondern mit einer Umsatzbeteiligung, wenn ein Leser die Werbung klickt und tatsächlich einen Kauf im Shop des Werbeziels tätigt. Heute ist das riesiger, Milliardenschwerer Markt im Internet. Die Idee wurde übrigens von Jeff Bezos selbst entwickelt. Amazon ist nachweislich durch das Amazon Partnerprogramm mit seinen jetzt über 1 Mio(!) Webseitenpartnern groß geworden.

    Warum konnte dieser Markt so groß werden? Eine Antwort findet man mitunter, wenn man den lokalen Buchhandel oder natürlich weiteren Facheinzelhandel im für sich wichtigen local web sucht. In lokalen Online-Stadtmagazinen, auf Lokalblogs, in Regionalportalen usw.

    Wo war in den letzten Jahren und ist der Facheinzelhandel im für sich extrem wichtigen Feld local web?

    Hier z.B. nicht:
    Lokalblogs “Die Leser sind da, die Werbekunden nicht”
    http://wdrblog.de/digitalistan/archives/2013/02/der_hyperlokale_hype_ist_beend.html

    Hier auch nicht:
    Wir betreiben das Veranstaltungsportal http://www.Frankentipps.de/ (jährlich 7,3 Mio. Nutzer., 2.000 registrierte Veranstalter, eines der führenden Portale seiner Art in der Region). In 8 Jahren 1 gemeldete Veranstaltung eines einzigen Bucheinzelhändlers. Aus ganz Franken wohlgemerkt.

    Wir verlinken zu Amazon, Zalando, eventim usw. nicht nur aus monatären Interesse, sondern schlicht auch aus Notwendigkeit, Anbieterlücken in unseren Portalen für unsere Leser zu schliessen (zu obigem Beispiel http://www.frankentipps.de/buchtipps ). Erst dadurch kaufen diese Nutzer dann zwangsläufig bei Amazon & Co. Partnerprogramme hätten nie so Fuß fassen können, wenn das Desinteresse an natürlich kostenpflichtigen Werbelösungen von lokalen Webmedien nicht so groß gewesen wäre und heute noch stärker denn je so ist.

    Der Facheinzelhandel glänzt als Werbekunde meist durch Abwesenheit auf lokaler Webebene. Die eigene Webseite, der eigene Onlineshop oder die eigenen 300 bis 2000 Facebookfans alleine werden es mit Sicherheit nicht richten.

    Medienwandel, Medienunkenntnis, alte Händlermentalität, Kostenlositis (kostenlose Werbeangebote werden natürlich genutzt), zentralisiertes Marketing bei Filialisten/Franchisern… mögen alles Gründe sein. Interessieren mich aber nicht. Für mich zählt schlicht: Kein Interesse lokaler Handel, Folge als Lösung: Performace Marketing.

    Vielfach reicht Performance Marketing als Erlösweg natürlich nicht aus. Dann schliessen diese lokalen Webmedien wieder. Dann klickt der Nutzer halt die nächstbeste Adsense-Anzeige von Amazon & Co. auf Google. Jo, mei.

    Ich kann das jetzt schon aus über 14 Jahren Erfahrung am Markt sagen. Ich kenne zahllose Branchenkollegen, die gleiche Erkenntnis haben und ähnlch reagieren (müssen). Ich habe mir in einigen Branchen die Hacken abgelaufen. Für mich persönlich habe ich z.B. den Bucheinzelhandel als potentiellen Kunden bereits als hoffnungslos abgeschrieben.

    Ich würde den Einzelhändlern besser empfehlen, auf die Stärken und Vorteile des Facheinzelhandels aufmerksam zu machen. Und insbesondere auf die aktuellen Angebote und Aktionen. Werblich im local web. Welch gutes Potential hätte eine Buchhandlung, sich z.B. als unterstützender Partner und Co-Autor in einem Stadtblog mit kompetenten Buchempfehlungen verlinkend zu seinem Geschäft off- und online zu präsentieren? Stattdessen: Meist Fehlanzeige auf ganzer Flur!

    http://www.ardmediathek.de/hr-fernsehen/hauptsache-kultur/buchhandlungen-in-zeiten-von-amazon?documentId=13996704
    Eine entscheidene Antwort als Erkenntnis gibt der Buchhändler selbst am Ende des Beitrages “Aber Amazon ist halt viel besser verlinkt”

  5. Wenn die Kunden sich heutzutage im Internet informieren und auch hier ihre Kaufentscheidung treffen, warum zeigen dann die Händler nicht genau dort was Sie anbieten?

    Also ich meine, so wie es amazon auch tut. Da kann ich erfahren und sehen ob es das gibt, was ich suche und wieviel es kostet. Würde ich erfahren, dass das auch in meiner Umgebung angeboten wird, wäre ich happy. Keine Registrierung, keine Versandzeiten und -kosten, kein nerviger Rückversand wenn es doch nicht gefällt. Einfach im Geschäft vorbei fahren, ausprobieren und mitnehmen. Ich denke, das es die Information ist, die nicht zur Verfügung steht. Ich suche jedenfalls oft nach regionalen Angeboten. Es gibt doch mittlerweile auch Plattformen für lokale Händler die nicht im Internet verkaufen wollen, wo ich aber trotzdem deren Waren oder Dienstleistungen kennenlernen kann. Wie z.B. Ebay Kleinanzeigen, Gettings oder Locayo. Das wäre mal ein echter Service, einfach das Geschäft online besuchen und nachschauen was es alles gibt.

    Ich denke, dass das „Gejammer“ darauf zurückzuführen ist, da die meisten Inhaber 50+ alt sind und sich noch weigern Trends zu folgen oder diese garnicht erkennen. Klar, vor 30 Jahren war das noch so, das Veränderungen alle 15 Jahre mal eingetreten sind. Nur heute ist es eben anders. Was gestern noch „In“ war, kann morgen schon wieder „Out“ sein. Der Versandhandel ist darüber hinaus auch keine neue Erfindung. Erinnern wir uns noch an die Kataloge von Otto und Quelle? Nix anderes, nur in Form von Papier. Das Geheimnis liegt doch eher darin, dem Kunden mundgerecht zu umwerben, so das er einfach eine Kaufentscheidung treffen kann. Und es beginnt damit, zu zeigen was man anbietet. Mit einer Beschreibung und einem Preis. Ich werde aber als Kunde nicht von Geschäft zu Geschäft Pilgern um herauszufinden wo es was gibt. Da frage ich lieber mein Smarthone und es gibt ja zum Glück immer mehr Unternehmen die das möglich machen. Unternehmen die zeitgemäß agieren haben für die Zukunft gute Karten.

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